20. Januar 2016

Digitale Transformation

Die Bedeutung von Strategie und strategischem Management könnte angesichts der Herausforderungen durch die Digitale Transformation kaum größer sein. Das Internet und insbesondere die Digitalisierung haben dazu geführt, dass alle Branchen durch digitale Prozesse, Geschäftsmodelle und Kommunikation neu gestaltet werden. Der Umbruch ist in vollem Gange. Im Mittelpunkt stehen die Technologie und vor allem Menschen, die damit umgehen können. Der nachfolgende Artikel gibt einen Überblick zu den wichtigsten Bausteinen dieser Transformation.

Die Bausteine der digitalen Transformation im Überblick

Mit der Kommerzialisierung des Internets und der stark gestiegenen mobilen Internetnutzung -mittlerweile durch Kunden aus allen Altersgruppen- wurde eine unaufhaltsame Entwicklung in Gang gebracht. Die Kunden sind "always-on". Hinzu kommt der Erfolg Sozialer Netzwerke mit einer auf Vernetzung aufbauenden Kommunikationskultur. Das Kommunikationsverhalten zahlreicher Menschen sowohl privater als auch beruflicher Natur verändert sich dadurch nachhaltig. Als Folge dieser Entwicklungen wurde nun ein fundamentaler Wandel in Unternehmen eingeläutet, der die Art und Weise beeinflusst, wie wir als Mitarbeiter denken, wie wir mit Kunden interagieren und die Art wie wir im Unternehmen miteinander umgehen und Prozesse abwickeln.

Wieso besteht hier dringend Handlungsbedarf für eine Vielzahl deutscher Unternehmen?
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass viele Entwicklungen, die zunächst im B2C-Bereich begonnen haben später auch im B2B-Bereich Fuß gefasst haben. Die Menschen gewöhnen sich an positive Erfahrungen mit digitalen und mobilen Medien aus ihrem privaten Umfeld und erwarten früher oder später, dass sie die gleiche gelernte Usability auch in Unternehmensprozessen vorfinden.
Die Auswirkungen der Digitalisierung gehen aber noch weiter. Die Digitalisierung löst Branchengrenzen auf.  Etablierte Unternehmen treffen nun plötzlich auf Disruptoren, die bewusst eine radikale Abkehr von branchenüblichen Geschäftsmodellen verfolgen. Neue (branchenfremde) Plattform-Anbieter wie beispielsweise AirBnB und UBER definieren neue Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle, die eine schlüssige Logik vorweisen können. Sie verändern Kundenbeziehungen radikal. Mit der Erfahrung dieser bislang ungekannten Servicequalität entwickeln viele B2C- und künftig auch B2B-Kunden eine immer klarer werdende Vorstellung von Unternehmen, Produkten und Services: sie wollen ALLES.

Die nachfolgend aufgeführten Themenfelder bilden in Kombination Bausteine für eine erfolgreiche Digitale Transformation von Unternehmen:

VON BIG DATA ZU SMART DATA

Die Digitalisierung zahlreicher Lebens- und Unternehmensbereiche ermöglicht die Verfügbarkeit digitaler Massendaten. Immer mehr Daten werden bei der Nutzung des Internets automatisch generiert. Diese Datenmengen sind zu groß, um sie auf traditionellen Wegen zu analysieren oder auf ihrer Basis neue Geschäftsmodelle zu generieren. Die Frage, die viele Unternehmer umtreibt ist, wie Unternehmen von BIG DATA zu SMART DATA gelangen können. Bei Smart Data können Daten nicht nur gesammelt, sondern auch nutzbringend analysiert werden. Als Grundlage für Marketing-Entscheidungen sorgen diese Daten dafür, dass jedem Kunden oder Kooperationspartner an jedem Touchpoint der Customer Journey das optimale Angebot unterbreitet werden kann. Möglich wird dann sogar die Berechnung von Erfolgswahrscheinlichkeiten, ob der Kunde das Angebot auch annehmen wird. Voraussetzung dafür ist auch, dass Kunden relevante Produktdaten im Netz auffinden können. Die Berechnung und Bewertung von Handlungsoptionen im Marketing wird als „Data-Driven-Marketing“ bezeichnet.

INDUSTRIE 4.0

Der Begriff Industrie 4.0 steht für die vierte industrielle Revolution, einer neuen Stufe der digitalen Organisation und Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette. Im Grunde geht es hier darum, Produktion und Services mit digitalem Know-how zu verbinden und neu zu erfinden. Die in diesem Zusammenhang oft erwähnte „smart factory“ ist imstande, sich an zunehmend individuellen Kundenwünschen zu orientieren. Weiteres Element der Industrie 4.0 sind sogenannte cyberphysische Systeme oder auch das „Internet der Dinge“, also Produkte, die sich mit dem Internet verbinden können und intelligent in Abläufe integriert werden.

KOLLABORATION / CO-CREATION

Die Größe eines Unternehmens wird künftig weniger über die Anzahl der Mitarbeiter oder der Standorte sondern eher über den Grad seiner Vernetzung definiert. Wird bei der Vernetzung auch der Kunde oder Kooperationsparner über einen digitalen Zugang eingebunden, ist beispielsweise das Design kundenorientierter und flexibler Prozesse mit neuartigen Services denkbar. In diesem Zusammenhang wird auch von Co-Creation gesprochen. Um Kollaboration zu starten, sind Aktivitäten und Erfahrungen in sozialen Netzwerken eine wichtige Voraussetzung.

CUSTOMER CENTRIC APPROACH

Auf Grundlage einer Bevölkerungsstatistik des Statistischen Bundesamts steht bereits heute fest: ab 2020 werden die "Digital Natives", die sogenannte Generation Y, mit einem Anteil von 33,3 Mio. Personen in der Mehrheit sein. Diese Bevölkerungsgruppe wurde nach 1980 direkt in das digitale Zeitalter hineingeboren. Sie ist durchgängig vernetzt, multioptional orientiert und mit den digitalen Technologien und Möglichkeiten bestens vertraut. Bereits heute sollten Unternehmen überlegen, wie sie diese Gruppe in den Fokus ihrer Marketingüberlegungen bringt.
Wieso ist deshalb ein radikaler "customer centric approach" notwendig? "Customer Centricity" ist  ein radikaler kundenzentrierter Ansatz oder ein kundenzentriertes Mindset. Es geht darum, die Kundenerfahrung mit dem eigenen Unternehmen digital zu hinterfragen:
- Wie können die kundenbezogenen Prozesse im Einklang mit der Mediennutzung des Kunden radikal vereinfacht werden?
- Welchen tatsächlichen Bedarf haben Kunden und Zulieferer? An welchem Touchpoint?
- Was und wo sind die „pain points“ in der Customer Experience?
- Was genau benötigen die Kunden, um leichter und effizienter mit dem eigenen Unternehmen zusammenzuarbeiten?

CONTENT MARKETING

Auf welchen Vertriebs- und Kommunikationskanälen und auf welchen Social Media-Plattformen sollte das Unternehmen präsent sein und nutzwertige Inhalte liefern, um im Blickfeld des Kunden zu bleiben. Die Art und Anzahl relevanter Kommunikationskanäle erweitern und ändern sich ständig. Für Unternehmen lauten die Fragen:
1.) Über welche relevanten Medien verbreite ich Text oder Bilder oder Videos?
2.) Was ist der konkrete Nutzwert bzw. die Zielsetzung dieser Inhalte?
3.) Wie kann ich einen einmal erstellten Inhalt sinnvoll aufteilen und mehrfach auf verschiedenen Plattformen, wie zum Beispiel im Bereich von B2B auf XING und LinkedIn oder im Bereich B2C auf Facebook, Instagram, YouTube oder Twitter und Snapchat verfügbar machen? (Crossmedia Workflow).
4.) Wie sieht mein Redaktions- oder Themenplan für die kommenden 3-6 Monate aus?

DIGITAL TRAINING

Das Wissen um und der Einsatz von digitalen Technologien ist in Deutschland derzeit noch nicht optimal. Bei diesem Element der Digitalen Transformation geht es um die Förderung digitaler Technologien mit dem Ziel, die Produktivität der Mitarbeiter zu steigern, zum Beispiel durch die Integration mobiler Anwendungen. Weiterhin stellt sich die Frage, wie digitale Kompetenzen in die Arbeitsabläufe integriert werden können. Im Interesse der digitalen Transformation sollte zum Beispiel auch dezentrales Arbeiten am digitalen Arbeitsplatz ermöglicht werden. Wissensarbeiter sollen befähigt werden, effektiv zu kollaborieren, kurzfristig aktualisiertes Wissen auszutauschen und Entscheidungen gemeinsam aber fallbezogen auch an verteilten Standorten zu tragen und sich jederzeit in Plattformen und Datenbanken einzuloggen. In einer fortgeschrittenen Phase wäre dann „agiles Arbeiten“ in interdisziplinären Teams möglich. Diese Teams könnten neue Produkte oder digitale Angebote eigenverantwortlich in einem iterativen Prozess in kürzester Zeit verfügbar machen. Im Ergebnis könnte die Innovationsgeschwindigkeit gesteigert werden (rapid prototyping).
Die Unternehmensführung sollte darüber hinaus "Digitalisierung" vorleben. Zum Beispiel durch einen fortschrittlichen Umgang mit digitalen Medien.

SOFTWARE AS A SERVICE (SaaS)/CLOUD COMPUTING

Die vorgenannten Massnahmen können zur Entstehung grosser Datenmengen führen. Um diese in den Griff zu bekommen, bietet es sich an, Speicherkapazitäten bei externen Rechenzentren anzumieten. Darüber hinaus wird unternehmensbezogene Software immer häufiger nicht eingekauft und lokal auf Rechnern installiert, sondern der Zugriff auf die Anwendungen erfolgt über externe Server des Anbieters.
Unter Cloud Computing fallen also Datenbewegungen, Anwendungen und Programme, die statt auf lokalen Rechnern über Plattformen externer Rechenzentren ausgeführt werden (methaphorisch: Cloud: Wolke). Diese Vorgehensweise wirft einerseits Fragen zur Datensicherheit auf, andererseits könnten Kosten gesenkt und Produktivität im Unternehmen gesteigert werden.

Wo liegen derzeit die Probleme bei der Umsetzung durch deutsche Unternehmen?

Eine Hürde bildet die Geschwindigkeit der Entwicklung neuer digitaler Technologien. Diese entwickeln sich so schnell, dass viele Unternehmen eher in einer abwartenden Haltung verbleiben, im Glauben, der perfekte Moment zum Einstieg käme erst noch. Ein weiterer Hemmschuh bildet der angenommene hohe Investitionsbedarf. Skepsis hinsichtlich Fragen zum Datenschutz wirken ebenfalls wie eine Bremse. Hinzu kommt ein mangelnder Überblick über geeignete Standards sowie der Respekt vor einem vermeintlichen Flop beim Einstieg. Eine Schockstarre wäre aber ebenso schädlich wie zuviel Respekt vor der vermeintlich unlösbaren Herkulesaufgabe.

FAZIT

Wo fängt man an und wann hört man auf?
Zunächst bietet es sich an, ein überschaubares Projekt als Prototyp künftiger Abläufe anzugehen. Ein Beispiel dafür wäre das Aufsetzen einer webbasierten Plattform für ein bestimmtes Kundenangebot. Diese Plattform könnte dann als Modell für weitere Projekte fungieren.

Das Ziel, die Digitale Transformation zu vollenden ist nicht erreichbar.
Vielmehr ist Digitale Transformation ein andauernder Prozess, ein neues Paradigma.

Zitiervorschlag für diesen Beitrag:
Mahrdt, Niklas (2016): Digitale Transformation. In: Media Economics Institut (Hg.): Cross Science (2014). Wissenschaftsblog für Marketing. Weblink: http://www.cross-science.de/2016/01/digitale-transformation.html (bitte unter Angabe des Abrufdatums zitieren)

Zum Thema dieses Blogbeitrags haben wir auch spannende Seminare:
https://www.media-economics.de/seminar-digitale-transformation-change/
https://www.media-economics.de/digitalisierung/

Prof. Dr. Niklas Mahrdt
MEDIA ECONOMICS INSTITUT
Köln, im März 2016

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