20. November 2015

Geschäftsmodelle im Fashion Commerce

Die Welt des Modehandels hat sich durch das Internet stark verändert. Seit Beginn der 2000er Jahre entstanden viele Online-Stores von Modemarken und Modehändlern. Darüber hinaus finden vielfältige Aktivitäten der Fashion-Unternehmen im Bereich der Sozialen Netzwerke statt. Für Modeunternehmen mit stationären Filialen stellt sich zusätzlich die Frage der Verknüpfung der stationären Geschäfte mit dem Online-Shop. Die nun folgende Analyse stellt eine Bestandsaufnahme des Marktes für E-Commerce, M-Commerce und Social Commerce für Mode da. Der Modemarkt wird dabei aus der Perspektive der unterschiedlichen Geschäftsmodelle dargestellt:

 

1) Der "Pure Online Player":

Der pure Online Player oder Internet Player vertreibt ausschliesslich über das Internet auf Grundlage eines Online-Shops, der über ein möglichst benutzerfreundliches Front-End für Kunden genutzt werden kann. Im Back-End werden alle notwendigen Prozesse organisiert. Hierzu zählen die Organisation der Warenwirtschaft, die ständige Aktualisierung von Produktbildern und -texten, die Organisation des Bestellprozesses mit verschiedenen Zahlungsmethoden, die Ausführung von Bestellungen über eine eingespielte Logistik sowie die Organisation von Retouren. Das Front-End sollte benutzerfreundlich auch für mobile Endgeräte (Smartphone, Tablet) abrufbar sein. 

Beispiele sind Net-à-Porter oder Zalando.

 

2) Das "Affiliate-Modell":

Modeunternehmen mit Online-Vertrieb zielen bei dieser Variante auf eine zusätzliche Vertriebspartnerschaft ab. Das Funktionsprinzip des Affiliate-Marketing basiert darauf, dass der Online-Händler bzw. der Merchant - meist über ein Affiliate-Netzwerk - dem Affiliate Werbemittel zur Verfügung stellt. Die Werbemittel werden auf der zielgruppen-relevanten Website des Affiliates eingebunden. Gelangt der Besucher der Affiliate-Website über das eingebundene Werbemittel auf die Seite des Merchant und führt dort eine Transaktion in Form eines Kaufs oder anderer Aktionen durch, erhält dieser eine Provision. Bei den Provisionsmodellen spielen die Clickbesucher-Provision und die Verkaufsprovision eine herausgehobene Rolle.

Als Beispiel können Stylight und Stylefruits angeführt werden.

3) Das "Curated Shopping-Modell": 

Curated Shopping oder auch Personal Shopping umfasst eine Stil- und Typenberatung, die entweder online, via Smartphone/App und/oder telefonisch erfolgt. Auf die Beratung erfolgt dann die Versendung eines Pakets mit mehreren Outfit-Vorschlägen. Der Kunde wählt einzelne Teile oder das gesamte Outfit aus und sendet gegebenenfalls die nicht in Frage kommenden Teile zurück. Der durchschnittliche Wert des Warenkorbs ist bei diesem Geschäftsmodell höher als bei einem herkömmlichen Online-Shop im Bereich der Männermode.
Beispiele sind Outfittery und Modomoto.


4) Das "Fashion Blog-Modell":

Beim Geschäftsmodell „Blog“ kann zwischen drei Varianten unterschieden werden:
- Private Blogs, die von Einzelpersonen oder Gruppen initiiert werden
- Corporate Blogs, die von Firmen zur Erreichung von Marketingzielen gestartet werden
- Affiliate Blogs, die von Einzelpersonen oder Gruppen mit dem primären Ziel gestartet werden, Werbeflächen zu vermarkten und Werbeerlöse aus dem Angebot reichweitenstarker Werbeflächen zu generieren (siehe dazu die nachfolgende Abbildung „Fashion Blog“).

Ein privater Modeblog oder Fashion Blog wird von einer oder mehrerer Personen aufgesetzt.
Es gibt zahlreiche Plattformen, um ihn mit einfachen technischen Mitteln aufzusetzen.
Zentral für den Erfolg privater Modeblogs sind nützliche, aktuelle, unterhaltsame und avant-gardistische Inhalte, vor allem in Texten, aber auch in Form von Abbildungen, Fotos und Videos. Die Devise lautet zeitgemäß und agil zu kommunizieren. Darüber hinaus sollte der Blogautor den Dialog mit der Blogleserschaft suchen. Erfolgreiche Modeblogger stellen sich in den Dienst Ihrer Leser.

Corporate Fashion Blogs von Modeherstellern und -händlern müssen einen im Vergleich zum rein verkaufsorientierten Online-Shop zusätzlichen Nutzwert bringen.

Weitere Erfolgsfaktoren für alle drei oben genannten Blog-Varianten sind:
- Regelmäßigkeit der Veröffentlichung neuer Beiträge
- Aktualität der Inhalte
- Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten.

Für Modemarken stellt die Bindung von Modebloggern eine immer wichtigere Zielsetzung dar. Die Handhabung dieser Beziehungen wird mittlerweile auch „Blogger Relations“ in Analogie zu Public Relations genannt. 

Der Betrieb von Blogs ist aufwändig - sowohl in zeitlicher als auch personeller Perspektive. Von daher ist eine Erfolgskontrolle – gemessen an zu Beginn aufgestellten Zielen- notwendig.

Es bietet sich an, sogenannte Key Performance Indikatoren in ihrer Entwicklung zu beobachten. Als Beispiel könnten :

- Anzahl Seitenaufrufe und deren Entwicklung des gesamten Blogs
- Anzahl Seitenaufrufe einzelner Blogposts (= Beiträge)
- Anzahl der Visits (= Besuche, abgeschlossene Sitzungen)
- Anzahl eindeutiger Seitenaufrufe (wiederholte Seitenaufrufe ein und dieselben Bloglesers werden nur 1 x gezählt)
- Anzahl eindeutiger Besuche (die Zahl unterschiedlicher Besucher, die im Zeitraum mindestens 1x den Blog besucht haben -> Netto-Reichweite)






5) Das "Marketplace-Modell": 

Beim Marketplace-Geschäftsmodell übernimmt ein Marktplatzbetreiber die Aufgabe, Angebot und Nachfrage von Modeanbietern und Modekunden zusammen zu bringen. Zunächst muss er dafür über das entsprechende Kapital verfügen, um das richtige System zu kaufen und die technologische Plattform aufzubauen. Sobald die Plattform aufgebaut ist, muss der Marktplatzbetreiber Werbemaßnahmen zur Bekanntmachung des Marktplatzes durchführen. Dabei hat er zwei Kundengruppen im Fokus: Modeanbieter und Modekunden. Zu Beginn unterliegt der Marktplatzbetreiber bei der Anwerbung von Modeanbietern und Modekunden dem „Henne & Ei-Problem“. Ist die Anzahl der Modeanbieter beziehungsweise die Breite und Tiefe des entstehenden Modesortiments zu klein, bleiben die Kunden weg. Kann der Marktplatzbetreiber nicht nachweisen, dass der Kundenzustrom die kritische Masse an Transaktionen ermöglichen wird, bleiben die Anbieter weg. Daraus ergibt sich das Dilemma, welche Kundenseite zuerst ausreichend vertreten sein muss. Darüber hinaus muss der Marktplatzbetreiber kritische Masse an Teilnehmern auf dem Marktplatz sicherstellen, damit diese den notwendigen Nutzen des Marketplaces erkennen können und zu wiederkehrenden Kunden und Anbietern werden. Kurz: beide Seite müssen an den Erfolg des Marketplaces glauben.

Für Modeanbieter ergeben sich bei der Teilnahme an einem Marketplace nachfolgende Vorteile im Vergleich zu einem eigenen Online-Shop:
(1)    geringere Einstiegsinvestitionen
(2)    das Marktrisiko (z.B. keine ausreichende Anzahl an Kunden) verbleibt beim Marktplatzbetreiber
(3)    die notwendigen Budgets für Aufbau und Bekanntmachung verbleiben beim Marktplatzbetreiber.

Als Nachteil kann angeführt werden, dass vom Modeanbieter eine Verkaufsprovision an den Marktplatzbetreiber gezahlt werden muss. Weiterhin hat der teilnehmende Modehändler keinen Einfluss auf die Qualität des angebotenen Sortiments sowie auf die Professionalität und Zuverlässigkeit der angebotenen Services.


Beispiele sind die Modebereiche bei eBay, Amazon und Zalando.

 

6) Das "Multichannel-Modell":

Von Multichannel kann gesprochen werden, wenn ein Unternehmen sowohl stationären Handel als auch Internet-Handel inklusive des mobilen Internets betreibt. Demzufolge ist Multichannel- Retailing, wenn ein Handelsunternehmen parallel mehrere Kanäle zur Distribution einsetzt und Kunden somit zwischen alternativen Bezugswegen wählen können. Zudem ist es dem Konsumenten möglich, ein Produkt sowohl online zu bestellen als auch im Ladengeschäft des Händlers zu erwerben.

Drei unterschiedliche Erscheinungsformen sind zu beobachten:
- Bricks & Clicks: Diese Vertriebsform besteht aus einem stationären Geschäft
(Bricks) und einem Onlineshop (Clicks). Bricks & Clicks ist die häufigste Form des Multi-Channel-Retailing. Als Beispiel kann Peek&Cloppenburg mit dem Online-Shop „FashionID“ angeführt werden.

- Clicks & Sheets: Bei dieser Form wird ein mehrgleisiger Versandhandel betrieben, zum einen über einen Online-Shop (Clicks) und gleichzeitig über den traditionellen Katalogversand (Sheets). Als Beispiel kann der Katalogversender OTTO mit seinem Online-Shop www.otto.de angeführt werden.

- Bricks, Clicks & Sheets: Hier kombiniert ein Handelsunternehmen ein stationäres Geschäft mit einem Onlineshop und einem traditionellen Versandkatalog. Als Beispiel fungiert hier Hunkemöller.
Die nachfolgende Abbildung zeigt den Transaktionsprozess:


Beispiele sind Breuninger, P&C mit FashionID sowie Engelhorn.

 

7) Das "Vertikalisten-Modell":

Vertikale Modeunternehmen sind auf zwei Wertschöpfungsstufen der Mode-Supply-Chain tätig. Sie stellen Mode her und vertreiben diese über eigene Kanäle. Genauer betrachtet kontrollieren sie die gesamte Wertschöpfungskette - angefangen beim Trend Scouting über Konzeption, Design, Produktion bis hin zu Marketing, Markenführung und Verkauf über eigene stationäre Filialen.
Eng damit in Verbindung steht das „Fast Fashion“-Konzept, das sich durch die folgenden Faktoren kennzeichnen lässt:
- kurzfristige Adaption von weltweiten Laufsteg-Trends (Copy-Cat-Prinzip / Fast Following)
- tagesaktuelle Auswertung von Abverkaufszahlen mit anschließender Ergänzung weiterer Styles ähnlich zu Sortimentsrennern (Quick Response, Flash Programme, Injections)
- Slow Seller werden schneller ausgelistet, mehr Ware wird zum vollen Preis verkauft, die Marge pro Artikel gesteigert
- geringere Kosten für Fehlentwicklungen und eine geringere Kapitalbindung bei schwer verkäuflicher Ware.

Beispiele sind H&M, ZARA, UNIQLO und ESPRIT.

 

8) Das "Online-Shopping-Club-Modell":

Ein Online-Shopping-Club (auch Online-Shopping-Community) ist eine Internet-Plattform mit regelmäßigen Markenwaren-Aktionsverkäufen, zu der über eine einmalige Registrierung oder eine Einladung Zugang erhält. Die über E-Mail-Newsletter oder über Postings in Sozialen Netzwerken angebotenen Produkte stammen überwiegend aus Restposten-, Überschuss- oder Retourenmengen bzw. aus vergangenen Saisons. Die Modeprodukte werden mit attraktiven Preisabschlägen verkauft. Häufig sind längere Lieferzeiten als bei puren Online-Shops die Regel, da der Versand erst nach Abschluss der Aktion stattfindet.
Shopping Clubs stellen die virtuelle Variante der stationären Fashion Outlet Center dar und versorgen abonnierte Modekunden per E-Mail mit deutlich reduzierter Markenware.




Beispiele sind Vente Privée, AmazonBUYVIP sowie Brands4Friends von eBay.

9) Das Modell des stationär vernetzten Modehändlers:

Dieses Modell beruht darauf, dass bislang rein stationär tätige Modehändler durch ein Bündel an Maßnahmen ein Teil der verlorenen Online-Kunden wieder durch stationäre Käufe oder Online-Verkäufe über Partnermodelle zurückgewonnen werden können.



Zitiervorschlag für diesen Beitrag:

Mahrdt, Niklas (2015): Geschäftsmodelle im Fashion Commerce. In: Media Economics Institut (Hg.): Cross Science (2014). Wissenschaftsblog für Marketing. Weblink: http://www.cross-science.de/2015/11/geschaftsmodelle-im-fashion-commerce.html (bitte unter Angabe des Abrufdatums zitieren)

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