13. Oktober 2014

Crossmedia: Zum Begriff und zur Geschichte

Der nachfolgende Beitrag setzt sich mit der begrifflichen Herkunft des Wortes "Crossmedia" auseinander. Er ergänzt den bereits auf diesem Blog erschienenen Artikel zur Definition des Begriffes Crossmedia.

1. Wie lange gibt es den Begriff Crossmedia im Marketing?
Werbetreibende Unternehmen haben schon seit jeher Kommunikationsmaßnahmen miteinander kombiniert. In der Werbegeschichte haben sich über die Jahre eine Vielzahl von Kommunikationsinstrumenten aufkumuliert. So hat das MEDIA ECONOMICS INSTITUT gerade eine Infografik mit mehr als 400 aktuell im Einsatz befindlichen Kommunikationsmaßnahmen herausgegeben, welches einen weitreichenden Überblick der klassischen, digitalen als auch netzwerk-basierten und mobilen Werbemaßnahmen beinhaltet. Die Infografik enthält auch eine exakte Definition des Crossmedia-Begriffs.

"Crossmedia" als moderne Bezeichnung für medienübergreifende Kampagnenführung erfuhr aus meiner Sicht allerdings erst mit der Kommerzialisierung des Internets seine heutige Bedeutung. Zum Ende der 1990er Jahre erreichte die Darstellung von Text- und Bildmaterial im Internet durch werbetreibende Unternehmen ihre massenhafte Verbreitung. Erst ab diesem Zeitpunkt kann in Zusammenhang mit der Kombination von klassischen und digitalen Werbemaßnahmen von crossmedialer Kampagnenführung gesprochen werden. Einen weiteren Innovationsschub erfuhr das Thema "Crossmedia" dann ab circa 2010 durch die immer stärkere Nutzung Sozialer Netzwerke (z.B. Facebook, YouTube & Twitter), Blogs und Social Sharing-Sites (z.B. Instagram, Pinterest) in Kombination mit Begriffen wie beispielsweise Web 2.0 und ProSuming. In einer weiteren Welle ab 2013 entstand ein weiterer wichtiger Treiber: die massenhafte Verbreitung internetfähiger Smartphones und Tablets. Zur Entwicklung der Werbe- und Kommunikationslandschaft seit Ende der 1990er Jahre habe ich folgende Analyse entworfen:
Quelle: Eigene Abbildung. (c) MEDIA ECONOMICS INSTITUT


Seit Beginn 2015 kommen auch noch weitere Faktoren hinzu:
- die immer größere Bandbreite schafft Raum für mehr Bewegtbildkommunikation. So werden beispielsweise auch Soziale Netzwerke immer videolastiger.
- die Mehrzahl der Haushalte verfügt über vier oder mehr unterschiedliche Endgeräte, darunter Desktop, Notebook(s), Smartphone(s), Tablet(s) und internetfähige Playstations. Inhalte müssen multiscreenfähig aufbereitet werden.


2. Wie aktuell ist der Begriff heute, welchen Stellenwert hat er im modernen Marketing, welchen sollte er haben?
Heute ist der Begriff aktueller denn je. Werbetreibende Unternehmen haben bei den Verbrauchern eine massive Reizüberflutung durch unzählige Werbebotschaften ausgelöst (z.B. Wear-Out-Effekte). Gleichzeitig steigt auf Seiten der Konsumenten die Zahl der (parallel) genutzten Medien in Form von mobilen internetfähigen Endgeräten, wie zum Beispiel Smartphones, Tablets und Playstation immer weiter an. Das Thema "crossmediale Kampagnenführung" re-fokussiert Unternehmen immer wieder darauf, -trotz der vielfältigen und parallelen Mediennutzung vieler Zielgruppen- ihre Kommunikationsziele erreichen zu müssen. Das gelingt am besten mit starken, vernetzten und -im Idealfall- viral verbreiteten Botschaften beziehungsweise Leitideen.

3. Crossmedial ist eine Kampagne, wenn sie parallel und vernetzt mindestens drei Kommunikationsinstrumente einsetzt. Ein Print-Mailing, das auf eine Website verweist, ist demnach noch nicht crossmedial?
Das  Wort "crossmedial" wäre in diesem Zusammenhang trivial verwendet. "Über verschiedene Medien hinweg ..." ist eine komplexere Dimension als die Kombination zweier aufeinander abgestimmter Maßnahmen. Darüber hinaus wäre es ja quasi Ressourcenverschwendung die Inhalte und Formulierungen für eine Website aufwändig und druckreif zu erstellen ohne diese zusätzlich zum Beispiel in einen Verkaufsprospekt, in geeignete PR-Maßnahmen oder verwandte Medien einfließen zu lassen. Ich würde empfehlen, einen einmal aufwändig erstellten Inhalt in der Produktionsphase immer auf mehrkanalige Auswertungsmöglichkeiten zu prüfen.

4.  Sie haben insgesamt 8 Kriterien für Crossmedia definiert. Nimmt man die Werbekampagnen eines Jahres in Deutschland zusammen, wie viele davon begreifen die Unternehmen oder Agenturen als crossmedial? Wieviel Prozent setzen tatsächlich alle Kriterien um? (Gibt es dazu Zahlen?)
Die nachprüfbare Integration aller 8 Kriterien? Ich würde den Prozentsatz auf maximal 10% aller B2C-Kampagnen schätzen. Derzeit läuft dazu eine wissenschaftliche Studie im MEDIA ECONOMICS INSTITUT. Im übrigen erfordern ja auch einige Kampagnen-Zielsetzungen gar nicht die Erfüllung aller Kriterien, wie beispielsweise den Einbau multisensorischer Elemente. Genau deshalb unterscheide ich ja zwischen notwendigen und hinreichenden Kriterien. Die Faktoren "durchgängige Leitidee", "formale, zeitliche und inhaltliche Integration" sowie "Vernetzung" sehe ich als "gesetzte" und notwendige Bedingungen an. Hier fiele der Anteil natürlich deutlich höher aus.

5. Gibt es überhaupt noch Kampagnen für einen Kanal? Vielleicht bewusst in Abgrenzung zur Masse des Marketings?
Rein logisch betrachtet: Nein. Ich kann mit meiner nun folgenden Argumentation natürlich nicht alle Werbekampagnen erfassen. Aber: davon ausgehend, dass heute keine B2C-Kampagne mehr ohne Online-bezogene Maßnahmen auskommt und jedes Produkt entweder stationär oder via Online-Shop vertrieben wird, ergeben sich allein aus der notwendigen Hinweisführung zur stationären und zur virtuellen Welt mindestens immer zwei Medien. Zu diesem Thema haben wir mit der Studie "Shopping Environments 3.0" ganz aktuelle Forschungsergebnisse erarbeitet. Auf die Frage, welche Kommunikationsmaßnahmen die Verbraucher in das stationäre Geschäft geleitet haben, erhielten wir die folgenden Ergebnisse:

Quelle: MEDIA ECONOMICS INSTITUT (2014): Shopping Environments 3.0

6. Wenn Crossmedia regelgerecht eingesetzt wird: Wie unterscheiden sich die Marketing-Erfolge gegenüber Stand-alone-Kampagnen? Wie kommt die Wirkung zustande?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten und hängt immer von den Zielsetzungen der jeweiligen Kampagne ab. Hilfreich ist aber seit den 2010er Jahren auf jeden Fall eine Kampagnen-Ergebnisbilanz mit Hilfe der PAID-/OWNED-/EARNED-Systematik.

7. Wie behalten Unternehmen den Überblick bei der Kampagnenmechanik?
Wieviel Komplexität muss sein? Wann wird es zuviel?

Ich gehe davon aus, dass Kampagnen in ihrer Mechanik vorab durchdacht und geplant werden. Darunter fällt dann auch die Festlegung der anschließenden Erfolgskontrolle, neuerdings auch "Tracking" oder "Analytics" genannt.

8. Ist Crossmedia auch für den kleinen Geldbeutel machbar, etwa für KMU, die ein kleines Marketingbudget haben?
Definitiv. Wenn ich als notwendige Bedingungen die drei Anforderungen
(1) durchgängige Leitidee
(2) formale Integration
(3) Vernetzung
genannt habe, so hängen weder (1), (2) noch (3) von einem großen Budget ab. Die Erfolgsfaktoren sind hier vielmehr Kreativität in der Ideenfindung und Disziplin in der crossmedialen Umsetzung. Viele wichtige Online-Marketing-Maßnahmen, wie beispielsweise die Suchmaschinenoptimierung sowie Social Media können -abgesehen vom redaktionellen Aufwand- kostenlos betrieben werden.

9. Man kann den Eindruck haben, dass Kunden bestimmte Interaktionsmöglichkeiten selten nutzen, zum Beispiel QR-Codes scannen mit dem Smartphone. Welche Techniken haben sich als Sackgasse erwiesen? Gibt es Beispiele, wo die Kunden von der Mechanik überfordert werden?
Beim Thema "QR-Code" ist auffallend, dass die werbetreibenden Unternehmen noch nicht den Schlüssel zur erfolgreichen Aktivierung der Zielgruppen gefunden haben. Die mir bekannten Beispiele sind jedenfalls ohne glaubhaften und wirksamen Nutzwert für die Konsumenten.
Übrigens: wozu nutzen denn die Kunden derzeit Smartphone, Tablet & Co.? In unserer Studie gingen wir der Frage nach, wofür Verbraucher das Smartphone im stationären Handel einsetzen. Auf die Frage, was Konsumenten mit mobilen Endgeräten am PoS machen erhielten wir die folgenden Antworten:


Quelle: MEDIA ECONOMICS INSTITUT (2014): Shopping Environments 3.0

Zum Webauftritt der Messe "CO-REACH" kommen Sie hier.
Zum Crossmedia-Poster geht es hier.
Zur Studie "Shopping Environments 3.0" gelangen Sie hier.
Hier können Sie die Studie bei Amazon kaufen. 

Dieses Interview wurde anlässlich der CO-REACH, einer führenden Messe für Dialogmarketing und zu neuesten Marketing-Trends, mit Niklas Mahrdt zum Thema CROSSMEDIA geführt:
Das Interview führte Christian Boeckmann.


Köln, im Oktober 2014 Zitiervorschlag für diesen Beitrag:
Mahrdt, Niklas (2014): Crossmedia: Zum Begriff und zur Geschichte. In: Media Economics Institut (Hg.): Cross Science (2014). Wissenschaftsblog für Marketing. Weblink: http://www.cross-science.de/2014/07/definition-von-multichannel-cross.html (bitte unter Angabe des Abrufdatums zitieren)



Zum Thema dieses Blogbeitrags haben wir auch ein spannendes Seminar:
https://www.media-economics.de/crossmedia/





3 Kommentare:

  1. Meiner Meinung nach ein sehr gelungener Blog-Eintrage, welcher relevante Fragen über die Begrifflichkeit und das Thema Crossmedia beantwortet. Hierbei stützen die Forschungsergebnisse der Studien die jeweiligen Aussagen hervorragend. Bezüglich der Fragestellung, wie Unternehmen den Überblick bei der Kampagnenmechanik behalten, könnte eventuell noch für die Beantwortung hinzugefügt werden: Die verwendeten Leit- und Begleitinstrumente in einer Kampagnenmechanik müssen so eingesetzt werden, dass sie bei gegebener Zielsetzung die effektivste Wirkung hervorrufen. Bei eingehender Berücksichtigung, Überprüfung und Refokussierung auf die festgelegten Botschaften einer Kampagne sollte die Komplexität einer Kampagnenmechanik gut planbar und übersichtlich sein.

    Dies ist aber auch nur mein subjektiver Eindruck, welcher gerne kritisch reflektiert werden darf. :)

    Liebe Grüße,
    Anne Pregl

    AntwortenLöschen
  2. Bezogen auf die Frage 9 würde ich gerne ergänzen, dass auch Apps die für crossmediale Kampagnen, Sendungen oder auch Werbung im TV runtergeladen werden müssen, nicht bei der Zielgruppe ankommen, beziehungsweise etabliert sind. Durch den zusätzliches Aufwand (man muss die App suchen, sich gegebenenfalls anmelden) entsteht ein Hindernis, welches überwunden werden muss. Ich könnte mir vorstellen, dass viele Leute keine große Motivation haben, eine solche App runterzuladen, da sie auch nicht wissen, was sie erwartet und ob sich der Aufwand lohnt. Ein anderer Punkt könnte sein, dass zum Beispiel in der TV Werbung eine passende App angepriesen wird, der Rezipient diese aber gar nicht wahrnimmt, da der Fernseher nur parallel läuft, oder man in der Zeitspanne nicht die Möglichkeit hat, bis zur Installation der App zu kommen und es dann vergisst. Das gleiche gilt für Kampagnen, auf die man vielleicht auf Plakaten oder online stößt.

    Ich schließe mich an der Stelle meiner Vorrednerin an und verweise auf meine lediglich subjektive Meinung zu diesem Thema, die auch gerne hinterfragt oder ergänzt werden kann.

    Viele Grüße,
    Sarah Grassmé

    AntwortenLöschen
  3. Was mich bezüglich crossmedialer Kampagnen interessieren würde, wäre ein kleiner Zukunftsausblick. Inwiefern können und sollten Unternehmen in Zunkunft zum Beispiel das Interner der Dinge nutzen? Werbung könnte hierbei sogar situationsbezogen oder auf ein bestimmtes Verhalten der Zielperson hin geschaltet werden. Ich persönlich sehe hierin ein großes Potenzial die Qualität von Werbekontakten einer Crossmedia Kampagne erheblich zu verbessern.

    AntwortenLöschen